Johann R. 94 Jähriger SS-Mann wachte im Lager Stutthof: Wegen hundertfacher Mordbeihilfe vor Gericht

   

WOTAN 18

 

Published on Nov 6, 2018

https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/er-war-wachmann-im-kz-stutthof-ss-scherge-94-vor-gericht-58251136.bild.html Vor dem Landgericht Münster begann am Dienstag der Prozess vom ehemaligen KZ-Wächter Johann R. (94) .Münster – Dr. Johann R. (94) wird um 9.59 Uhr von zwei Justizwachtmeistern in den Saal A23 geschoben. Er hebt die Hand, grüßt. Er trägt einen grünen Anglerhut, ein weißes, gestärktes Hemd, dazu einen grauen Mantel. Er legt den Hut ab, begrüßt seine beiden Verteidiger. Die weißen Haare stehen wild durcheinander, sein Blick ist müde. Das helle Blitzlicht der Fotografen nimmt er kaum wahr. Aufgrund seines hohen Alters darf nicht länger verhandelt werden als zwei Stunden pro Termin. Sein Prozess ist vielleicht der letzte NS-Prozess in Deutschland. 73 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur steht der ehemalige KZ-Wächter vor dem Landgericht Münster wegen Beihilfe zum Mord in mehreren Hundert Fällen.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund soll der 94-Jährige zwischen Juni 1942 und September 1944 SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig gewesen sein. Durch seinen Wachdienst habe R. Beihilfe zum Mord geleistet.

Im KZ Stutthof wurden bis zu 65 000 Menschen durch Vergasungen, Injektionen, Erschießungen sowie systematisches Verhungern und Erfrieren lassen von den Nazis ermordet. 17 Nebenkläger aus den USA, Kanada, Israel und Deutschland sind vom Gericht zugelassen worden.

Johann R. wischt sich Tränen vom Gesicht

Um 10.28 Uhr sagt der Angeklagte sein erstes Wort. Er wird zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt. „Ich bin mit 65 Jahren in den Ruhestand versetzt worden, geschieden und habe drei Kinder. Alle erwachsen."

Danach wird die Anklage verlesen. Nach 16 weiteren Minuten geben einzelne Nebenklagevertreter Erklärungen für ihre Mandanten ab.

Zudem wird der Antrag gestellt, das KZ Stutthof mit allen Prozessbeteiligten zu besichtigen! Alle Nebenklagevertreter und auch die beiden Verteidiger haben sich angeschlossen. Ein Anwalt: „Unsere Mandanten haben mit großem Respekt die Anklage gelesen und auch mit ihren Familien besprochen. Wenn das Böse geschieht, gibt es keine Neutralität.“

Dr. Johann R. hält sich beide Hände vor das Gesicht, Tränen rinnen ihm die Wangen herunter. Er wischt sie weg. Die Augen sind gläsern.

Nach etwas mehr als einer Stunde in der Prozess beendet. Wann Johann R. sich einlassen wird, ist noch unklar.

BILD sprach im Vorfeld des Prozesses mit Nebenklager-Anwalt Onur Özata. Er vertritt das Ehepaar, Rivka (90) und Moshe (91) aus Israel. Beide waren ab Spätsommer 1944 Gefangene im KZ Stutthof. Er zu BILD: „Meinen Mandanten geht es nicht darum, dass der betagte Angeklagte ins Gefängnis kommt. Sie wollen, dass er endlich die Wahrheit sagt und erzählt, welche Verbrechen damals in Stutthoff passiert sind.“


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